Ein Gastbeitrag von Heide Gentner, Referentin der Unternehmenskommunikation für pro clima
In Systemen, statt nur in Produkten denken, auf Anschlussdetails achten und immer vorher wissen, was man tut – diesen Anspruch und diese Denkweise möchte das Bildungszentrum Holzbau Biberach seinen Seminarteilnehmern näher bringen.
Wie lässt sich diese Folie falten und einschneiden, wo liegen die Vorteile und Nachteile? Wer während seiner Zimmererausbildung im Bildungszentrum Holzbau in Biberach an Kursen teilnimmt, muss genau erklären können, wie seine Verarbeitungsentscheidungen zustande kommen. „An der Baustelle muss der Lehrling später als Geselle oder als Meister Auftraggeber und Planer überzeugen. Daher wollen wir, dass sich die Auszubildenden genau mit Systemen der verschiedenen Hersteller auseinandersetzen“, erklärt Helmut Schuler. Der Zimmerermeister bildet seit 21 Jahren Lehrlinge aus und legt als Spezialist für Gebäudesanierung, modernen Holzhausbau und luftdichte Gebäudehülle die Seminarinhalte fest.
Die Bedeutung der Luftdichtung haben noch nicht alle erkannt
Ein Schwerpunkt der Ausbildung in Biberach ist die Planung und Verarbeitung der luftdichten Ebene bei Neubau und Sanierung. „Das ist nicht bei allen Ausbildungszentren Bestandteil, weil noch nicht überall erkannt wurde, wie wichtig die luft- und winddichte Gebäudehülle für die Energieeffizienz und die Bauschadensfreiheit einer Konstruktion ist“, erklärt Helmut Schuler. Mehr als 500 Lehrlinge besuchen jährlich die Kurse bei Schuler und seinen Kollegen:„Das Schöne am Feedback der Betriebe ist, dass sie die Azubis gern zu uns schicken. Manche sagen zudem, dass sie von dem neu gelernten Wissen ihrer Lehrlinge dann auf der Baustelle profitieren. Schließlich vermitteln wir hier immer den aktuellen Stand der Technik und wir konzentrieren uns darauf, wie man schwierige und wichtige Details löst.“
Im Kurs energieeffziente Dachsanierung beispielsweise, verarbeiten 16 Auszubildende an acht 1:1 Praxismodellen die Luftdichtungsebene. Ausbilder Helmut Schuler und sein Team haben dazu Schmetterlingsmodelle konstruiert. Auf der einen Seite des Modells wird eine Baustellensituation bei der Dachsanierung von außen dargestellt. Die andere Seite zeigt eine Innenausbaukonstruktion.
Für diese Modelle müssen die Teams ein Luftdichtheitskonzept erstellen und die luftdichte Ebene fachgerecht verarbeiten. „Das Ergebnis präsentieren die Zweiergruppe ihren 14 anderen Kollegen. In einem Fachgespräch müssen sie kritischen Fragen standhalten und genau argumentieren, welchen Weg der Verarbeitung sie gewählt haben. Der Fokus liegt dabei jedes Mal auf den Schnittstellen, die häufig übersehen werden“, erzählt Schuler. Das Ausbildungsteam versucht den künftigen Zimmerergesellen und -meistern zu vermitteln, dass die fachgerechte Verarbeitung der Produkte die Grundlage des bauschadensfreien Sanierens ist: „Wenn Klebebänder nicht halten, liegt das zu 90% an der Verarbeitung. Entweder wurde vergessen zu primern oder die Wetterbedingungen wurden nicht beachtet. Wir versuchen den Auszubildenden zu zeigen, wie sie Fehler vermeiden können und falls doch etwas schief geht, die Ursache schnell herausfinden.“
Je höher die Dämmstärken, desto wichtiger die korrekte Verarbeitung der luftdichten Ebene
Die Planung und Verarbeitung der luftdichten Ebene sei in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Nicht nur, weil eine funktionierende Gebäudehülle die Basis für das energieeffiziente Bauen ist: „Die Dämmstärken sind gestiegen und je mehr sie sich nach oben bewegen, desto wichtiger ist die Luftdichtung. Eventuelle Undichtheiten wie Leckagen haben gravierendere Auswirkungen. Es gibt Zimmerer, die die Rolle der Luftdichtung herunter spielen. Aber das ist gefährlich und falsch. Daher müssen wir hier als Ausbildungszentrum aufklären, damit die Arbeitsqualität und das Know-how von Zimmerern auf einem hohen Level bleibt. Zudem ist vielen Zimmerern nicht bewusst, dass sie für den Bauschaden haften, der durch eine falsche Luftdichtung verursacht wurde“, sagt Schuler.
In Systemen denken
Dass die Dichtigkeit der Gebäudehülle am Besten gewährleistet wird, wenn in Systemen gedacht wird – das ist auch ein Punkt, den Zimmerermeister Schuler seinen Lehrlingen vermitteln möchte: „Am Besten vermischt man die Materialien der verschiedenen Hersteller nicht, sondern bleibt im System. Die einzelnen Komponenten funktionieren am Besten, wenn sie aufeinander abgestimmt und von einem Hersteller sind. Wir arbeiten hier mit dem Material und den Systemen vieler verschiedener Firmen. So sehen die Lehrlinge die Vielfalt und können herausfinden, mit was sie am besten arbeiten. Außerdem hat jeder Zimmererbetrieb seine Vorlieben, daher sollten auch die Lehrlinge alle Marken problemlos handhaben können.“
Neben seiner Arbeit als Ausbilder, setzt er sich auch für das gewerkeübergreifende Projekt „Luftdichtheitskonzept“ ein – hier haben sich verschiedene Verbände zusammengetan, um möglichst viele Anschlussdetails festzuhalten und die Lösung zu präsentieren. „Wir können alle voneinander profitieren, wenn wir zusammenarbeiten. Je mehr die Qualität am Bau steigt, desto mehr Spaß haben auch alle am Bauen.“
Über Helmut Schuler
Helmut Schuler ist Zimmerermeister, Energieberater, Baubiologe IBN und zertifizierter Luftdichtheitsprüfer. Er unterrichtet seit 21 Jahren im Bildungszentrum Holzbau. Er bildet Lehrlinge, Gesellen, Meister, Baustoffkaufleute und Architekten aus. Dabei betreut er Kurse zu den Themen Holzbau, Umgang mit Maschinen, Treppenbau, Sanierung und Qualitätskontrolle mit Luftdichtheitsprüfung.
Auf dem internationalen BlowerDoor-Symposium Buildair hat er einen Vortrag gehalten. Er sprach darüber, wie das Bildungszentrum Auszubildende, Gesellen und Zimmerermeister für das Thema Luftdichtung sensibilisieren.
Beim pro clima TV interview spricht er über die Zimmererausbildung und über die Bröschure zur Lösung von Luftdichtungsdetails: https://blog.proclima.com/de/2015/06/die-rolle-der-luftdichtung/