Auf unserem Messestand während der Messe DACH+HOLZ konnten einige Holzhausmodelle bewundert werden, die fünfzehn Studentinnen und Studenten im Rahmen ihres Architekturstudiums an der Stuttgarter Universität im Sommersemester 2011 hergestellt haben.
Aufgabe
Die Entwurfsaufgabe bestand darin, das Charlottenplatz-Hochhaus in der Stuttgarter Innenstadt bis zum Detail planerisch zu untersuchen und entsprechend den gehobenen energetischen wie gestalterischen Anforderungen zu erneuern. Das Gebäude soll nach der Modernisierung weiterhin flexible Bürogrundrisse bieten. Der Entwerfer kann von der vorhandenen Mietstruktur im Bürotrakt ausgehen. Im Sockelbereich bieten sich Flächen für Läden und Gastronomie an. Auf dem Dach ist eine Aufstockung vorstellbar. Sei es eine Skybar, Architekturbüro oder Penthouses – die Lage ist spektakulär!
Es wurde vorausgesetzt, dass das Gebäude bis zum Rohbau entkernt wird und vollständig saniert wird. Das bleibende Stahlbetonskelett bildet das Ausgangsszenario für den Entwurf. Entwerfen und Konstruieren der Hochhausfassade mit dem Baustoff Holz macht den Schwerpunkt der Aufgabe aus. Die Entwicklung der Fassade steht im Spannungsfeld zwischen Anforderungen durch die Innenräume und durch den urbanen Stadtraum. Unter Berücksichtigung von u.a. Brandschutz, Dauerhaftigkeit, Montage und Wartung wird der architektonische Ausdruck einer urbanen Gebäudehülle, insbesondere bei einem Hochhaus, anders sein als die Wirkung von Holzfassaden auf dem Land.
Weiterhin wurde vorausgesetzt, dass das bestehende Tragwerk die Lasten einer optionalen Aufstockung in Holzbauweise zusätzlich in den Baugrund ableiten kann. Die im Vergleich mit Stahlbeton und Stahl niedrige Rohdichte macht Holz als Konstruktionsmaterial für bestehende Tragstrukturen besonders geeignet.
Hintergrund
Mit der weitgehenden Überwindung der naturgegebenen Anisotropie und den ökologischen
Vorteilen des nachwachsenden Rohstoffes, kann Holz auch in konstruktiver Hinsicht Stahl und Beton überlegen sein. Trotz der zukunftsweisenden Eigenschaften ist jedoch der Durchbruch von Holzkonstruktionen in der Stadt bisher ausgeblieben. Die Gründe dafür sind ebenso komplex wie trivial: zum einen ist das Wissen um den „neuen“ Holzbau noch wenig verbreitet, zum anderen setzen sich technische Innovationen jenseits der gewohnten Standards nur zögerlich durch.
In der Stuttgarter Innenstadt gibt es einige markante Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren. Auf Grund ihrer Struktur und der guten Lage lassen sich diese Gebäude sehr gut durch gezielte Sanierungsmaßnahmen dem sich verändernden Kontext anpassen. Ein hoher Vorfertigungsgrad, kurze Baustellenzeiten, Energieeffizienz und die haptische Präsenz prädestinieren Holz als Baustoff für das anspruchsvolle Aufgabefeld der zukünftigen Fassadensanierungen und Aufstockungen .
Konstruktion
Baurechtlich gelten für das Charlotten-Hochhaus mit seinen 45 m Höhe die Hochhaus-Richtlinien. Die Fassadenkonstruktion muss in allen ihren Teilen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen. Diese baurechtlichen Anforderungen sind Planungs- und Genehmigungsgrundlage für alle am Bauprozess Beteiligte, jedoch sollte mit diesem Entwurf ein Experiment gewagt werden und sich mit fachlicher Argumentation über die (noch) geltenden Anforderungen hinweg gesetzt werden. Vor dem Hintergrund, dass die letzten materialtechnologischen Entwicklungen im Bereich Holzmassivbauweise in den Bauordnungen und Richtlinien nicht berücksichtigt sind, erlaubt sich die Aufgabenstellung in die Zukunft zu schauen, die wahrscheinlich eine differenziertere Betrachtungsweise auf das Brandverhalten mehrgeschossiger Fassadenkonstruktionen aus Holz zulassen wird.
Die Landesbauordnung ermöglicht die Errichtung von Holzfassaden unter der Hochhausgrenze in hochfeuerhemmender Bauweise. Dies bedeutet, dass die Fassadenkonstruktion aus Holz sein kann, vorausgesetzt die tragenden Komponenten werden allseitig mit nicht brennbaren Bauschichten eingekapselt. Diese so genannte BA-Bauweise wurde eingeführt, um Holz als tragenden Baustoff für mehrgeschossige Konstruktionen zu ermöglichen. Der Entwurf sieht vor, die Gebäudehülle in Holzmassivbauweise auszuführen, beidseitig mit geeigneten Plattenmaterialien brandschutztechnisch wirksam verkleidet. Der innenraumseitige und außenraumseitige Aufbau ist in Abhängigkeit vom Entwurf zu sehen. In der Praxis durchgeführte Tests zeigen, dass die Feuerwiderstandsdauer solcher Außenwandaufbauten bei 120 min liegt.
Der Vorteil einer massiven Konstruktion ist die Verhinderung von Hohlraumbränden innerhalb der Konstruktion. Die Dämmebene aus Mineralwolle liegt vor der Konstruktion. Die Integration von Leitungen und Kabeln in der Konstruktionsebene ist ausgeschlossen. Die Wandkonstruktion muss mit einer raumseitigen Installationsschicht ergänzt werden.
Unabhängig von der Gebäudehöhe ist das Ziel des Entwurfs eine architektonische Sprache für eine urbane Holzfassade zu finden.
Was sind die charakteristischen Merkmale einer städtischen Fassade aus Holz?
Die auf dem Land verwendeten Schalungstypen sind sicher nicht die geeignete Antwort für die Stadt. Die Situation verlangt nach einer höheren Präzision und Abstraktion.
Das Charlotten-Hochhaus wurde als Experimentfeld gewählt, weil es große Fassadenflächen in einer exponierten Lage bietet. Die durch das innere tragende Stahlbeton-Skelett befreite Fassade ermöglicht einen vollständigen Austausch der nicht tragenden Gebäudehülle. So gesehen steht das Charlotten-Hochhaus stellvertretend für die große Anzahl modernisierungsbedürftiger Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren in vielen Städten.
Lehrpersonen
Prof. Peter Cheret,
Dipl.-Ing. Martin Arvidsson,
Dipl.-Ing. Frank Schäfer
Externe Beratung
Dipl.-Ing.(FH) Gerhard Lutz
Kompetenz Zentrum Holzbau & Ausbau, Biberach
Studierende Fakultät 1
Philipp Bauer
Feng Chen
Sandra Erne
Thomas Geiring
Franziska Hann
Damien King
Irina Krauter
Louise Saint Germain
Dira Nurviani
Patrick Schuitema
Jeong-Wook Seo
Julia Süßer
Eftizia Tsitsi
Peng Wang
Laura Waschkewitz