Hallo,
ich bin nach meiner Ausbildung zum Zimmermann nach Finnland gegangen, um herauszufinden, wie in anderen Ländern der Beruf des Zimmerers ausgeübt wird.
Mittlerweile bin ich seit ein paar Monaten in Finnland (Helsinki) und ich finde jeden Abend nach der Arbeit und jedes Wochenende neue Wege durch diese schöne Landschaft. Wenn man hier abends um die richtige Uhrzeit durch die Wälder läuft und die Augen aufhält, kann man allerlei Tiere entdecken oder zumindest ihre Spuren (manchen will man auch gar nicht begegnen). Was ich persönlich sehr gut finde ist, dass es hier legal ist, auf Trampelpfaden mit dem MTB durch den Wald zu fahren.
Bevor ich in Finnland überhaupt auf einer Baustelle arbeiten durfte, musste ich einige Lehrgänge und Sicherheitsunterweisungen während der Arbeit über mich ergehen lassen. Das fängt bei der Baustellenunterweisung an (die für jede neue Baustelle wiederholt werden muss) und endet mit einem Seminar über Arbeitssicherheit. Dann ging es mit der passenden Arbeitskleidung/ PSA weiter:
In Finnland trägt man Hosen, Jacken, Pullis und T-Shirts in Neonorange oder Gelb mit Reflektoren. Nach Betreten der Baustelle sind Helm mit Gehörschutz, Handschuhe, Arbeitsschuhe und Schutzbrille ständig zu tragen. Arbeits- und Sicherheitsausweis sind immer sichtbar zu tragen. Bei Arbeiten am Gerüst oder in der Nähe von Absturzkanten ist ein Sicherheitsgurt mit Seiltrommel zu tragen.
Den Rang/ die Position des Arbeiters erkennt man nur an seinem Helm, die Farben können von Region zu Region unterschiedlich sein:
- Chefs und Sicherheitsbeauftragte und Bauherren tragen weiße Helme
- Vorarbeiter tragen blaue Helme
- Arbeiter tragen gelbe Helme
- Kranhelfer tragen orangene Helme und Handschuhe
- Hilfsarbeiter von anderen Baufirmen tragen rote Helme.
Das Nichteinhalten der Sicherheitsregeln kostet ein Bußgeld von 500 Euro beim ersten Verstoß und 1500 Euro beim dritten Verstoß, dazu kommt jedes Mal der Verweis von der Baustelle mit Wiederholung der Sicherheitseinweisung eine Woche später.
Das eigentliche Arbeiten ist irgendwie total anders als in Deutschland. Jeder hat hier die Einstellung, "komme ich heute nicht, komme ich morgen", alles ist hier irgendwie ruhiger, mit weniger Stress. Dazu kommen die vielen Kaffeepausen und das Spielen am Handy/ Telefonieren während der Arbeit.
Das Arbeiten mit Anstell-Bockleitern ist hier nicht so gerne gesehen, lieber hat man zwei Hebebühnen zu viel auf der Baustelle, als dass jemand von der Leiter fällt. Das Gleiche gilt für das Klettern im Gerüst; deswegen ist auf großen Baustellen immer eine Gerüstbaufirma vor Ort, um schnell Änderungen vorzunehmen oder das Dachgerüst für Kranarbeiten zu öffnen.
Bei Kranarbeiten werden mindestens fünf Leute benötigt:
- der Kranführer
- ein Helfer am Boden
- ein Sicherheitsbeauftragter am Boden, der dafür sorgt, dass niemand sich im Gefahrenbereich befindet
- der Anweiser im Arbeitsbereich
- ein Helfer im Arbeitsbereich
Auf meiner ersten Baustelle in Finnland sind insgesamt zwölf Hebebühnen, zwei Kräne, ein Gabelstapler, drei Teleskoplader und drei Lastenaufzüge für ca. 50 Mann im Einsatz.
Eine weitere Besonderheit auf finnischen Baustellen sind die Logistikfirmen, die für die Annahme und Verteilung des Materials auf der Baustelle zuständig sind, ebenso wie für den Abtransport des Mülls (Säubern der Baustelle); ungefähr so wie die Azubis oder Hilfsarbeiter auf deutschen Baustellen. Das Säubern der Baustelle ist in Finnland auch eine Sache für sich! Die Gerüste werden alle zwei Wochen von grobem Dreck befreit und mit einem Vakuumstaubsauger gereinigt. Böden dürfen auch nur mit einem Vakuumstaubsauger gereinigt werden. Bei Bohr- und Sägearbeiten muss abgesaugt werden. Es gibt Staubtüren zwischen den Etagen.
Was mir sehr negativ aufgefallen ist, es wird sich nicht wirklich unter den Gewerken geholfen: wenn zum Beispiel etwas sehr schwer ist oder um den Fahrstuhl schneller zu leeren: nein man steht daneben und guckt doof aus der Wäsche. Dafür wird der Bauschaum hier sehr häufig verwendet: frei nach der Devise, "wo nichts ist und soll was sein, schmiert man kräftig Bauschaum rein".
Der Zimmermann (talonrakentaja = Häuserbauer) ist hier für so Sachen wie Schalungsbau, Innenausbau (Trockenbau), Baurampen und Bautreppen zuständig und wenn nötig wird er auch als Maler eingesetzt oder um Armierung zu biegen, binden etc. Die Dächer wie man sie aus Deutschland gewohnt ist, findet man hier eher selten. Wenn man hier mal ein Satteldach, Walmdach etc. findet, ist es meistens mit Blech gedeckt. Am häufigsten findet man auf den Häusern Flachdächer und in jedem großen Gebäude einen Luftschutzkeller (väestösuoja = Bevölkerungsschutz), selbst in Neubauten.
In Punkto Maschinen gibt es hier keinen großen Unterschied zu Deutschland, dafür aber bei den verwendeten Materialien. Hier werden viel Baufurniersperrholz BFU und Siebdruckplatten zum Bauen verwendet, die meisten meiner Kollegen haben noch nie etwas von OSB-Platten gehört. Rigips wird auch in rauen Mengen verwendet, aber Fermacell ist hier eher eine Seltenheit. Fensterahmen werden hier nur sehr schwach gedämmt (ein Kombriband auf der Fenster Außenseite und ein ca. 2 cm breites Rollband aus Wolle auf Fensterbreite). Holzverkleidungen in der Sauna, Fassaden, Türrahmen, Sockelleisten etc. werden hier meistens sichtbar geschossen, was nicht immer gut aussieht. Auf der letzten Baustelle wurden in einem Neubauhaus alle Rohre im Bad sichtbar verlegt auf Kundenwunsch (Miete 1195 Euro pro Monat für 46,5 m2)
Was auch neu für mich war, bei großen Projekten wird eine Wohnung schneller als alle andern gebaut, um Fehler zu erkennen. Wenn man hier durch die Stadt läuft und sich die Hochhäuser anschaut, ist im ersten Stock schon meist alles fertig, während im 8. Stock zum Beispiel noch betoniert wird.